Dokumentation Thüringen: Heimat der Arbeiter*innenbewegung

4. Februar 2019: Festveranstaltung zum Jahrestag der Nationalversammlung in Weimar

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Mehr als 200 Menschen waren am 4. Februar 2019 in die Weimar-Halle gekommen. Gemeinsam hatten die „Friedrich-Ebert-Stiftung“ (FES) und die „Rosa-Luxemburg-Stiftung“ (RLS) eingeladen, um den 100. Jahrestag der ersten Sitzung der Nationalversammlung zu feiern – und um die Geschichte der Arbeiter*innenbewegung, Bündnisfähigkeit und aktuelle linke Politik zu diskutieren.

„Das ist Thüringen. Heimat der Arbeiter*innenbewegung“ – das Motto prangte groß auf der Bühne. Auf der Wand ein Bild mit wehenden roten Fahnen aus der Novemberrevolution 1918. Zum Einstieg in den Abend wurden Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow (DIE LINKE) und die stellvertretende Regierungschefin und Finanzministerin Heike Taubert (SPD) interviewt – zur Bedeutung der Arbeiter*innenbewegung für Politik heute und zur Frage, wie Rot-Rot-Grün in Thüringen funktioniert. Ramelow sagte: „Nur wenn die Parteien mit Anstand zusammenkommen und es wagen, Differenzen offen anzusprechen und gemeinsam zu lösen, dann funktioniert das Regieren.“ Deutlich wurde, dass es bei SPD und LINKE ein Bewusstsein für die gemeinsamen historischen Wurzeln gibt – in den Gemeinsamkeiten und den Differenzen, darauf wiesen auch Dr. Irina Mohr, Leiterin der Thüringer FES, und Paul Wellsow, Geschäftsführer der RLS im Freistaat, in ihren einleitenden Worten hin.

Die Novemberrevolution von 1918 war Voraussetzung für die Demokratie, für das Ende des 1. Weltkrieges, sozialen Fortschritt und die in Weimar 1919 beschlossene Verfassung. Paul Wellsow betonte, dass es vor allem die verschiedenen Strömungen der Arbeiter*innenbewegung gewesen sein, die das Ende der Monarchie erzwungen hätten. Über die gemeinsamen historischen und politischen Wurzeln – aber auch über Differenzen und deren fatalen Folgen im Laufe der Weimarer Republik – gelte es gemeinsam zu diskutieren, gerade in Thüringen: Erfurt, Eisenach, Gotha oder auch Weimar, das seien zentrale Orte der Arbeiter*innenbewegung, der Sozialdemokratie und der sozialistischen Parteien gewesen.

Am 6. Februar 1919 tagte erstmals die Nationalversammlung im Deutschen Nationaltheater in Weimar. Eine Aufgabe war die Erarbeitung einer Verfassung. Die Weimarer Republik, das war eine erkämpfte und eine gefährdete Demokratie. Dieses Wechselverhältnis beleuchtete der Historiker Dr. Tim Schanetzky (Universität Jena) in seinem Vortrag. Er wies darauf hin, dass schon in der Weimarer Republik mit Falschinformationen und Lügen – heute „Fakenews“ genannt – Einfluss auf die Politik genommen wurde. Deutlich wies er auch auf die Rolle des Antikommunismus „als effektives Instrument der Mobilisierung“ gegen die Linke hin. Die junge Republik dürfe nicht nur von seinem Ende sondern auch durch die Erfolge der Republik betrachtet werden: Demokratie und freie Wahlen statt Monarchie, mehr Rechte für Arbeitnehmer*innen oder eine neue Bildungspolitik. Schanetzky erinnerte, „wie schnell der politische Linksliberalismus erodierte“ und somit mitverantwortlich für das spätere Ende der Demokratie war.

Die Revolution gegen Kaiser und Weltkrieg und für die Republik – das waren einschneidende Wegmarken für die Arbeiter*innenbewegung, für Gewerkschaften, für die sozialdemokratischen, sozialistischen und kommunistischen Bewegungen und Parteien. Einerseits Einigkeit und gemeinsamer Weg, andererseits Spaltungen. Selbst im Kampf gegen die radikale Rechte und das Erstarken des Faschismus gab es keine – genauer: viel zu wenig – Gemeinsamkeiten. Dem setzte Annelie Buntenbach aus dem geschäftsführenden Vorstand des DGB einen Appell für den Antifaschismus und breite Bündnisse gegen die radikale Rechte entgegen. Diese Frage bestimmte auch die Abschlussrunde, auf der noch einmal Ramelow, Taubert, Schanetzky und Buntenbach über gemeinsame Perspektiven auf die Geschichte der Arbeiter*innenbewegung und politische Bündnisfähigkeit der Linken. Umrahmt wurde der Abend von der Band „Die Grenzgänger“, die Lieder der Novemberrevolution und der Arbeiter*innenbewegung neu interpretieren.

Die gesamte Rede von Annelie Buntenbach (DGB) können Sie hier nachlesen: https://www.tlz.de/documents/12944/0/Rede+Annelie+Buntenbach+zum+100.+Jubil%C3%A4um+Weimarer+Republik/dcf2442f-c4c1-4974-a23d-08a350993c61

Der Bericht der TLZ zur Veranstaltung: https://www.tlz.de/web/zgt/politik/detail/-/specific/Annelie-Buntenbach-DGB-Wir-brauchen-aktive-und-im-Wortsinn-antifaschistische-795360695