Dokumentation Modelle eines Grundeinkommens

Bericht zur Diskussion mit Dr. Eric Schröder zur Konsensfähigkeit eines Grundeinkommens

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06.11.2019

Ideen für ein Grundeinkommen gibt es viele - und manche wagen sogar die Forderung nach einem sogenannten „Bedingungslosen Grundeinkommen“ (BGE). Die Anfänge der Debatte lassen sich bis in die 1960/´70er Jahre in Westeuropa und den USA zurückverfolgen, am bekanntesten sind aber wohl die Debatten aus den ´80er Jahren und den letzten Jahren. Die Diskussionen waren schon immer polarisierend – auch weil es eine Vielzahl an teils konträren Modellen und Vorstellungen gibt. Am 6. November 2019 stellte nun Dr. Eric Schröder im Rahmen des „Erfurter Diskurs“ der Rosa-Luxemburg-Stiftung Thüringen seine Studie „Zur Konsensfähigkeit der Grundeinkommensidee“ vor, die er an der Universität Erfurt geschrieben und 2018 als Promotionsschrift veröffentlicht hatte (Tectum Verlag, Marburg). Dr. Schröders wichtiger Beitrag in der Debatte um das Grundeinkommen, das Pro und Contra sowie mögliche Realisierungschancen ist vor allem die Typologisierung und Systematisierung unterschiedlicher Modelle.

Vier Typen von Grundeinkommen

Dr. Schröder ordnet die Grundeinkommensideen vier spezifischen Typen zu: (1) marktliberal, (2) pragmatisch, (3) liberal-egalitär und (4) postkapitalistisch. Bei der Unterscheidung stellt Dr. Schröder verschiedene Kategorien auf und unterscheidet nach Problemanalyse, Höhe und Form des Grundeinkommens, Finanzierung, der Stellung zum bestehenden Sozialversicherungssystem, Arbeitsverständnis, präferierter Handlungskoordination und nach Mikro- und Makrozielen.

Marktliberale Modelle zeichnen sich dadurch aus, dass sie das Sozialversicherungssystem und die steuerfinanzierte Grundfinanzierung als marktverzerrend und dadurch effizienzmindernd beschreiben. Sie zielen mit einer maximalen Summe von 600 Euro im Monat darauf ab, das Sozialversicherungssystem abzuschaffen. Pragmatische Ansätze erkennen einen gesellschaftlichen Strukturwandel, eine Erosion der Normalarbeitsverhältnisse, eine Spaltung der Erwerbsbevölkerung und Armut. Pragmatische Ansätze wollen 600 bis 800 Euro zahlen und die Sozialversicherungen beibehalten. Liberal-egalitäre Modelle sehen die Produktivität als Chance, erkennen eine Erwerbsarbeitszentriertheit, Ungleichheit der Lebenschancen und den Leistungsbegriff. Im Gegensatz zu marktliberalen Modellen wollen liberal-egalitäre Ansätze einen monatlichen Satz von mindestens 800 Euro und dafür „nur“ die Arbeitslosen- und Rentenversicherung abschaffen. Als letzten Typ beschreibt Dr. Schröder postkapitalistische Ansätze. Diese fordern ein globales, soziales Recht auf monatliche Zahlungen von mindestens 800 Euro, wobei das Sozialversicherungssystem erhalten bleibt und in eine Bürger*innenversicherung umgebaut werden soll.

Konsensfähigkeit und Hürden

Eine Volksabstimmung in der Schweiz im Jahr 2016 und viele Umfragen zeigen, dass ein großer Teil der Bevölkerung ein Grundeinkommen bisher grundsätzlich ablehnt. Viele Befragte geben auch an, dass sie trotz eines möglichen Grundeinkommens nicht weniger arbeiten würden. Gerade Gewerkschaften verschließen sich oft der Idee des Grundeinkommens. Das dürfte maßgeblich daran liegen, dass sie vor allem Angst vor marktliberalen Ansätzen haben. Darüber hinaus gibt es aber vor allem große Skepsis, ob ein Grundeinkommen zum Beispiel nach postkapitalistischem Vorbild mit der tiefen gesellschaftlichen Überzeugung einer Erwerbsgesellschaft vereinbar ist.

Verschiedene Pilotprojekte weltweit haben gezeigt, dass ein Grundeinkommen grundsätzlich möglich ist. Mehrere Pilotprojekte wurden jedoch aufgrund von Regierungswechseln während der Laufzeit, aber nie ganz ausgewertet. Als Hürde für eine konkrete Umsetzung nennt Dr. Schröder die Frage von Migration. Greife man auf Grundeinkommen-Modelle zurück, bei denen die Vergabe an die Staatbürgerschaft gekoppelt ist, so würde dies die Segregation von immigrierten Menschen und Staatsbürger*innen weiter verschärfen. Koppele man das Recht an den Wohnsitz, so könnte der Migrationsdruck auf einen einzelnen Staat weiter steigen und rassistischen, rechten und faschistischen Kräften Auftrieb geben. Von einem globalen Grundeinkommen spreche dagegen bisher kaum ein politischer Akteur. Obwohl Dr. Schröder skeptisch auf konkrete Umsetzungen von Grundeinkommensideen blickt, sieht er einen Wert der Diskussion um das Grundeinkommen darin, die Debatte um eine neue Sozial- und Arbeitspolitik weiterzuführen – so auch in dem Vorschlag der Partei DIE LINKE, in Thüringen ein Modellversuch zu starten. Der Wert dieser Debatte liege in der Ära der angeblich alternativlosen Politik vor allem darin, ein Vehikel zur Diskussion für grundsätzliche Fragen über das gesellschaftliche Zusammenleben zu sein und einen breiten gesellschaftlichen Diskurs über elementare Zukunftsfragen zu führen.

Debatte um linke Gesellschaftsutopien nötig

Dass die Debatte um ein Grundeinkommen oder gar eines Bedingungslosen Grundeinkommens vor allem Migration in den Mittelpunkt stellen könnte, wäre zu Zeiten eines massiven Aufschwungs gerade rassistischer, nationalistischer und faschistischer Kräfte verheerend. Ein erfolgreiches Modell eines Grundeinkommens scheine nur bei globaler Umsetzung eine – zumindest von den postkapitalistischen Modellen intendierte – linke gesellschaftliche Transformation bringen zu können. Am Ende des Vortrags und der anschließenden lebhaften Debatte verfestigt sich der Eindruck, dass vor allem linke Gesellschaftsutopien wieder stärker in den Mainstreamdiskurs eindringen müssen und es vor allem für eine gesellschaftliche Linke darum gehen muss, Deutungshoheiten und Hegemonien zu gewinnen.

(Julian Degen)