Dokumentation Eduard Bernstein: Kritisches Denken in Bewegung

Bericht zur Buchvorstellung „Eduard Bernstein: Kritisches Denken in Bewegung – oder die Freiheit des Andersdenkenden“ am 27. Januar 2020

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27.01.2020

Die Wahrscheinlichkeit, dass heute noch viele Menschen – selbst Fachkundige – mit dem Namen Eduard Bernstein (1850 - 1932) etwas anfangen können, ist nicht besonders hoch. Der Journalist und ehemalige Chefredakteur der Zeitung „Neues Deutschland“ Tom Strohschneider hingegen beschäftigte sich seit langem und ausführlich mit dem ehemaligen Reichstagsabgeordneten, Außenpolitiker und Theoretiker der SPD und Mitbegründer der USPD. Im Karl-Dietz-Verlag hat Strohschneider Ende 2019 nun das Buch „Eduard Bernstein: Kritisches Denken in Bewegung – oder die Freiheit des Andersdenkenden“ veröffentlicht – eine Einführung in sein Leben, Denken und Wirken sowie ergänzt um drei Originaltexte Bernsteins. Am 27. Januar 2020 stellte der Journalist das Buch auf Einladung der Rosa-Luxemburg-Stiftung Thüringen in den Räumen von Radio FREI in Erfurt vor.

Bevor Eduard Bernstein in Deutschland parlamentarisch arbeitete, löste er von London, wo er in Kontakt mit Friedrich Engels stand, den „Revisionismusstreit“ aus. Bernstein stand für Reformen statt Revolution und dürfte nicht nur deswegen Meinungsverschiedenheiten mit Rosa Luxemburg und anderen Vertreter*innen einer revolutionären Strategie gehabt haben. Die beiden sahen sich zwar noch als Genossen, doch misst man der Szene aus dem Spielfilm „Rosa Luxemburg von Margarethe von Trotta (1986) etwas Realismus bei, so bezeichnete sie ihn zwar als Genossen, doch könne sich nicht mit ihm tanzen, wenn sie am nächsten Tage mit ihm streiten werde.

In Strohschneiders Essay zur Einführung in Bernsteins Denken handelt er unter anderem die Aktualität, den konstruktiven Sozialismus und Bernsteins (Nicht-)Rolle in den linken Debatten der BRD und der DDR ab. Die drei originalen Texte setzen sich mit dem Revisionismus in der Sozialdemokratie, wissenschaftlichem Sozialismus und der Sozialdemokratie auseinander, die den Weg von der Sekte zur Partei bestritten habe.

Strohschneider merkte an, dass der in den politischen Debatten oft scharf angegriffene Bernstein in seinen Texten zumeist lange, einführende Passagen schrieb, um andere Debatten aufzugreifen und erst dann zu seinen theoretischen Ausführungen kam. Bisher gebe es keinen kompletten Überblick über das Werk Bernsteins, zu sehr wurde er ignoriert. Strohschneiders abschließende Urteil: Eigentlich ist die Auseinandersetzung mit Bernsteins Theorien heute nicht mehr relevant. Dennoch plädiert er für eine Beschäftigung mit ihm – mit seiner Person, seiner Rolle und seinen Überlegungen zur Transformation des Kapitalismus und politischer Ethik.

 Julian Degen

Einen Mitschnitt der kompletten Veranstaltung gibt es hier.