Dokumentation Bericht zur Buchvorstellung: „Keine Enteignung ist auch keine Lösung“

mit Sabine Nuss im Rahmen der Reihe „Marx am Montag" vom 14.12.2020

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Im Jahr 2019 kämpfte in Erfurt ein Bürger:innenbegehren darum, die Kommunale Wohnungsbaugesellschaft als städtisches Eigentum zu behalten. Es richtete sich gegen die Bestrebungen der Stadt die Gesellschaft an die Stadtwerke zu verkaufen, um so Geld in die Kassen der Stadt zu spülen. Binnen weniger Woche erreichte das Begehren die nötige Anzahl an Unterschriften, um den Verkauf aufzuhalten. Es ging um die Angst vor höheren Mieten. Dieses Jahr wurde in Berlin ein Mietendeckel eingeführt. Gleichzeitig gibt es auch dort ein Begehren zum Thema Wohnen. Dabei geht es darum große Immobilienkonzerne zu enteignen beziehungsweise zu vergesellschaften. Das Interesse an Eigentum und Enteignung ist groß, die Begriffe sperrig und klobig und die Debatten darum reichen weiter zurück, als allgemein verkündet wird.

Sabine Nuss löste einige dieser Begrifflichkeiten auf und setzte sie in historische, ökonomische und juristische Zusammenhänge. Denn, dass was heute teilweise als „natürliche Begebenheit“ dargestellt oder hingenommen wird: Das Privateigentum; ist in der Tat ein sehr modernes Konstrukt, welches in vielen vorkapitalistischen Gesellschaften so nicht existierte.  

Über diesen Schwenk wird deutlich, dass auch Begriffe wie der selbstregulierende Markt eine gewisse Irrsinnigkeit in sich tragen. Denn - so führte Nuss aus - natürlich wird auch in kapitalistischen Unternehmen geplant und ohne Planung ginge es überhaupt nicht. Die Drohkulisse, die mit Begrifflichkeiten wie der Planwirtschaft oder dem Kommunismus aufgebaut werden, wirken vor dieser neuen Einordnung gar nicht mehr wie ein Schreckgespenst. Nuss führt einige Beispiele dazu aus, dass ein „selbstregulierender“ Markt ohne Planung überhaupt gar nicht existieren würde.

In dem an den kurzen Vortrag angeschlossene Gespräch thematisierte Nuss, dass es heut zu tage einen wichtigen Unterschied zwischen Enteignung und Vergesellschaftung gibt. Sie ging außerdem auf die Frage ein, inwieweit das Privateigentum unser Rechtssystem prägt. Ständige Begleiterin sei auch die Frage, ob Menschen irgendwann irgendetwas weggenommen werden soll. Nuss‘ Antwort: Es gehe nicht darum jemandem etwas wegzunehmen, sondern darum wer und wie viele die Entscheidung über gewisse Dinge treffen, respektive treffen dürfen.

Wenn wir also in Erfurt darüber reden, dass die Stadt die Wohnungsgesellschaft nicht verkaufen soll, dann weil der Stadtrat weiterhin Entscheidungen darüber treffen dürfen soll, was mit den erwirtschafteten Einnahmen geschieht oder ob überhaupt und wie viele Einnahmen gemacht werden. Auch in Berlin geht es - obwohl der Name der Kampagne das andeutet - nicht um Enteignung, sondern Vergesellschaftung, also die Frage, wer darüber entscheiden darf, was mit dem erwirtschafteten Geld aus Mieten geschehen soll.  

Der Vortrag ist aufgezeichnet worden und auf unserer Facebook-Seite: https://www.facebook.com/579027445452744/videos/1091593231276337,

oder in der Playlist „Marx am Montag“ auf unserem YouTube-Kanal

(https://www.youtube.com/channel/UCUly5_a31lAlE2LXq0eh-DA/playlists?view_as=subscriber) gespeichert.

Julian Degen

Mitarbeiter Rosa-Luxemburg-Stiftung Thüringen