Dokumentation Was bewirken Vereins- und Parteiverbote?

Veranstaltungsbericht vom 3. September 2025 in Jena

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03.09.2025

CC-BY 2.0 TMC-Fotografie.de

„Was bewirken Vereins- und Parteiverbote?“ – so lautete die Frage des Abends am 3. September 2025 in Jena. Der Rosa-Luxemburg-Club (RLC) lud dort zur Veranstaltung mit Referentin Rechtsanwältin Kristin Pietrzyk, die bereits 2023 einen Beitrag namens „Die wehrhafte Demokratie verzichtet auf ihre Waffen. Warum ein AfD-Verbotsverfahren zwingend ist“ im Band „Staatsgewalt. Wie rechtsradikale Netzwerke die Sicherheitsbehörden unterwandern“ veröffentlichte.

Wenn man sich heute mit der Frage von Parteiverboten beschäftigt, kommt man auch zwei Jahre nach der Veröffentlichung des Beitrags nicht an der Diskussion um ein Verbot der AfD vorbei. Auch wenn Linke sonst oftmals diejenigen sind, die Verbote aufgrund ihres autoritären Charakters für gewöhnlich ablehnen, so verhalte es sich in Bezug auf die AfD-Verbotsdebatte ganz anders, wie Pietrzyk zu Beginn der Veranstaltung feststellte: sowohl parlamentarische als auch zivilgesellschaftliche Linke fordern mehrheitlich ein Verbotsverfahren. 

Auch die Referentin stellte sich eindeutig hinter diese Forderung. Ihrer Meinung nach sei ein Verbotsantrag aus antifaschistischer Perspektive nicht nur in Erwägung zu ziehen, sondern sogar geboten. Begründet sieht sie diese Position vor allem in der Schutzpflicht des deutschen Staates gegenüber im Land lebender Minderheiten. Egal ob Staatsbürger*in oder nicht – solange Menschen sich auf deutschem Boden befänden, müsse der Staat deren Unversehrtheit garantieren. Und das sei mit der Programmatik, die die AfD vertritt und ihrer Einflussnahme auf das politische Geschehen schon heute nicht mehr gesichert, so Pietrzyks Argumentation. Ein Parteiverbot der AfD sei also deshalb notwendig, weil man den Staat dazu zwingen müsse, sich an seine eigenen Regeln zu halten: den Schutz von Minderheiten, eine Garantie deren Unversehrtheit angesichts der Bedrohung rechtsextremer und völkischer Positionen, wie sie die AfD vertritt.

Bevor Kristin Pietrzyk ihre Argumentation vertiefte, geht sie an diesem Mittwochabend erst einmal auf allgemeine Hintergründe der im Grundgesetz verankerten Möglichkeit, Parteien und Vereine in Deutschland zu verbieten, ein. Verankert wurde diese Regelung nach den Erfahrungen des Nationalsozialismus als Schutzmechanismus, als „Notwehr des Staates“, als Mittel der sogenannten „wehrhaften Demokratie“. Das Parteiverbot als ein Werkzeug der wehrhaften Demokratie soll gewährleisten, dass die freiheitliche Demokratie selbst und ihre wichtigsten Elemente zukünftig nie wieder zur Debatte stehen. Deshalb ermöglicht das Verbotsgesetz die Bekämpfung genau derjenigen Parteien, die a) die freiheitliche demokratische Grundordnung beseitigen wollen, b) dies mit kämpferischen Mitteln tun und c) die Potenzialität besitzen dies auch erfolgreich umzusetzen. Letzteres Kriterium führte nämlich unter anderem dazu, dass frühere Verbotsverfahren gegen die NPD scheiterten, erklärt Pietrzyk.

Die Titelfrage der Veranstaltung, was Vereins- und Parteiverbote konkret bewirken, beantwortete die Referentin dem Publikum ebenfalls. Wäre ein Verbot erfolgreich, würde dieses mit sofortiger Wirkung dazu führen, dass alle Gelder der Partei eingezogen werden, sie automatisch all ihre politischen Mandate sowie jegliche Strukturen verliert. Außerdem könnten Mitgliedern einer verbotenen Partei Waffenscheine sowie öffentliche Ämter und Beamt*innenstatus entzogen werden.

Ob die Kriterien eines Verbotes bei der AfD erfüllt sind, müsste im Falle eines Antrags das Bundesverfassungsgericht prüfen. Dass es aber überhaupt erst einmal zu einer Überprüfung komme, dafür bräuchte es einen konkreten politischen Willen. Denn ein Verbotsverfahren könne ausschließlich von Bundestag, Bundesrat oder der Bundesregierung beantragt werden. Und hier liege aktuell das Problem, so Pietrzyk. Denn die größte Regierungspartei CDU, ohne deren Zustimmung der Antrag aktuell nicht möglich ist, sei nach wie vor der Meinung die gesichert rechtsextremistische AfD einfach „wegregieren“ zu wollen. Sie sorge sich mehr darum, die Wähler*innenschaft der AfD womöglich vor den Kopf zu stoßen, anstatt sich Gedanken darum zu machen, welche Bedrohung eine gesichert rechtsextremistische Partei für bestimmte Gesellschaftsgruppen darstelle. Daran offenbare sich wieder eine sehr weiße, männliche Perspektive, deren Privileg es ist, das sich ihre Betroffenheit vom gesellschaftlichen Rechtsruck bisher auf einen Verlust im Wähler*innenpotenzial beschränkt. 

Für einen Verbotsantrag bräuchte es also echten Druck auf antragsbefugte Strukturen. Dieser sei aktuell jedoch nur im geringen Maße in Deutschland selbst zu spüren und noch dazu auch kaum außerhalb des Landes. Wenn man sich im Rest Europas umschaue, könne man sich angesichts erfolgreicher Rechtspopulist*innen und allgemeiner Abschottungspolitik ebenfalls nicht auf einen Druck von außen verlassen. Die ernüchternde Erkenntnis des Abends: Der politische Wille für ein Verbotsverfahren ist in Regierungskreisen und der sie tragenden Parteien aktuell nicht abzusehen. Das frustriert nicht nur die Referentin, sondern auch das Publikum, so machen es Nachfragen und Diskussionsbeiträge deutlich.

Doch was nun? Die einzige Hoffnung ist wohl aktuell die in den Hintergrund geratene zivilgesellschaftliche Debatte um ein AfD-Verbot wiederzubeleben. Eine Kampagne namens „AfD-Verbot Jetzt!“ gibt es ja schon einmal, wie man auch auf dem kleinen Flyertisch im Veranstaltungsraum sehen kann…

Cora Henßge