Publikation Thüringer Sozialdemokrat*innen und Kommunist*innen. Kontraste, Konflikte und Kooperationen in der Weimarer Republik

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Thüringen war in seiner Geschichte wiederholt ein Labor für neue, ungewohnte politische Konstellationen der Linken. Die erste rot-rot-grüne Landesregierung unter dem Ministerpräsidenten Bodo Ramelow (DIE LINKE) ist bekannt, ebenso die Diskussionen seit der Landtagswahl im Oktober 2019, eine Minderheitsregierung zu bilden, da das Wahlergebnis keine der gewohnten politischen Konstellationen mehr zulässt. Weitaus weniger ist bekannt, dass von Oktober 1921 bis zum Februar 1924 SPD und USPD im Land Thüringen unter Ministerpräsident August Frölich gemeinsam regierten – und dass es Ende 1923 sogar eine kurzlebige Koalition aus SPD, USPD und KPD gab. Thüringen, das ist mit Eisenach, Erfurt und Gotha die Geburtsstätte der Sozialdemokratie. Die hiesige Arbeiter*innenbewegung hat Geschichte geschrieben.

Mit der vorliegenden Arbeit »Thüringer Sozialdemokrat*innen und Kommunist*innen – Kontraste, Konflikte und Kooperationen in der Weimarer Republik« weist der Historiker Dr. Steffen Kachel vor diesem geschichtlichen Hintergrund auf zwei wichtige Aspekte hin: Erstens arbeitet er die hohe Bedeutung stabiler linker Milieus in der Gesellschaft heraus. Das hat Bedeutung dafür, um Erfolge wie auch Niederlagen der politischen und gesellschaftlichen Linken zu verstehen, und auch, um Strategien für das Heute zu entwickeln. Sowohl DIE LINKE als auch ihr Umfeld, Gewerkschaften und linke soziale Bewegungen allgemein müssten wieder den Aufbau und die Stärkung linker Milieus in den Fokus ihrer Arbeit rücken. Die Zeit der klassischen Wahlparteien, die in Zweier- oder Dreier-Koalitionen und mit reiner Stellvertreter*innenpolitik agieren, scheint vorbei zu sein. Eine starke Linke, die tatsächlich Veränderungen erreichen will, braucht die Verankerung in der Gesellschaft – vom Kleingarten bis in Bewegungen wie Fridays for Future. Zweitens zeigt Kachel deutlich den »rot-roten Sonderweg« im Land Thüringen auf – einen Kurs von SPD, USPD und KPD, der von den Vorgaben und Vorstellungen der Parteien in der Republik deutlich abwich. Die Arbeiter*innenparteien und -bewegung setzten hier – stärker als anderswo – auf eine engere Zusammenarbeit. Zugespitzt gesagt: Die SPD war hier »linker« als die SPD, die KPD »rechter«. Das eröffnete immer wieder Möglichkeiten der Zusammenarbeit und der Verständigung. Knapp 100 Jahre später ist in Thüringen aus dem rot-roten offenbar ein rot-rot-grüner Sonderweg geworden. Erneut wird das von den jeweiligen Parteigliederungen im Bund und in anderen Bundesländern skeptisch beobachtet. Doch angesichts des Aufstiegs der AfD, der Schwäche der gesellschaftlichen Linken und des Wandels des Parteiensystems ist sowohl die Frage stabiler linker Milieus und die Frage der Fähigkeit zur wechselseitigen Verständigung jener Parteien und Organisationen, die für – unterschiedliche – Modelle fortschrittlicher Politik und gegen den Rechtsruck stehen, existenziell.

Dr. Steffen Kachel: Thüringer Sozialdemokrat*innen und Kommunist*innen. Kontraste, Konflikte und Kooperationen in der Weimarer Republik, Rosa-Luxemburg-Stiftung Thüringen, 2019, Erfurt, 20 Seiten.

Die Publikation steht zum Download bereit und kann in gedruckter Fassung gegen Portokosten bezogen bei der Rosa-Luxemburg-Stiftung Thüringen (thueringen@rosalux.org) bezogen werden.