Mit Cora Schmechel und Anne Roth
2015 erschien der erste Gegendiagnose-Sammelband, im Mai dieses Jahrs der zweite. Anlass des Buchprojektes war der Eindruck, dass eine Kritik an der Institution und wissenschaftlichen Disziplin der Psychiatrie, wie auch ihrer ›Schwester‹ der Psychologie, in der aktuellen linken Gesellschaftsanalyse kaum noch eine Rolle spielt. Psychische Krisen sowie Verhaltens- und Wahrnehmungskonflikte scheinen vielfach unhinterfragt ein je individueller Fall für ›professionelle Hilfe‹. Eine allzu ‚platte‘ Kritik, die psychische Krisen nur als ‚soziale Konstruktion‘ und gesellschaftliche Zuschreibung betrachtet, erscheint wiederum auch den Erfahrungen Betroffener nicht gerecht zu werden. Das Anliegen der Gegendiagnose war und ist dagegen, eine Alternative zu allzu vereinfachten oder reformistischen Kritiken zu bieten und auch die anti-psychiatrische und psychiatriekritische Bewegung selbst kritisch zu betrachten. Wichtig ist uns die Institution Psychiatrie und ihre Konzepte und Glaubenssätze in das Netz gesamtgesellschaftlicher Machtverhältnisse einzuordnen und sie gerade auch als Institution der Reproduktion und Stabilisierung gesellschaftlicher Unterdrückungsverhältnisse zu betrachten.
Dann präsentiert Anne Roth als eine Autorin ihren Buch-Beitrag „Antifeminismus vor Gericht - Über die Macht psychologischer Sachverständiger in Sexualstrafprozessen". Sie kritisiert den psychiatrisch_psychologischen Umgang mit sexualisierter Gewalt, konkret in Form der »aussagepsychologischen Glaubhaftigkeits-Gutachten«, welche den Anspruch erheben zwischen ›falscher/eingebildeter‹ und ›richtiger/wahrer‹ Vergewaltigungs- und Missbrauchserinnerung unterscheiden zu können. Ihr Beitrag (zusammen mit Clara Kern) weist nach, wie diese Praktik zu einer Täter-Opfer-Umkehr beiträgt und gesellschaftliche Machtverhältnisse stabilisiert.
Gemeinsam mit s.P.u.K. e.V. - Verein für solidarische Politik und unkommerzielle Kultur
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