Die EU-Initiative «Global Gateway» wurde im Dezember 2021 aus der Taufe gehoben, ist aber bislang recht unbekannt geblieben. Dabei geht die Initiative – übersetzt mit «Tor zur Welt» – auf dem sechsten EU-Afrika-Gipfel am 17. und 18. Februar offiziell an den Start. Eine Summe von bis zu 300 Milliarden Euro will das «Team Europa» – bestehend aus der EU, den Mitgliedstaaten und der Europäischen Investitionsbank – in den kommenden Jahren aufwenden. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen erklärte jüngst auf ihrem Besuch im Senegal, das für das «Afrika-Europa-Programm» rund die Hälfte dieser Mittel eingesetzt werden sollen. Mit dem Geld will man Investitionen in den Bereichen Klima und Energie, Digitales, Gesundheit, Land- und Agrarwirtschaft tätigen.
Widersprüchlich sind die Äußerungen zum – wie es so schön heißt – «ownership», also der Eigentumsfrage und Oberhoheit: Das Projekt werde von Europa getragen, aber «partnerschaftlich umgesetzt» und solle die EU «krisenfester» machen, erklärte von der Leyen. Im aktuellen Factsheet steht lapidar: «The EU works with Africa», und auf der Homepage der EU-Kommission wird betont, dass die Initiative «dem Bedarf der Partnerländer Rechnung tragen und dauerhafte Vorteile für die Menschen vor Ort gewährleisten» soll. Für wen soll die Initiative, die trotz ihrer europäischen Deutungshoheit und finanziellen Machtasymmetrie als eine «Win-win-Aktivität» deklariert wird, denn nun wirken und wer werden die Gewinner sein?
Geopolitische und ökonomische Interessen
Global Gateway wird ganz offen als europäisches Gegenstück zur chinesischen «Neuen Seidenstraße» (Belt and Road Initiative) präsentiert. Der Schwerpunkt liegt auf Investitionen in die Infrastruktur wie Transportkorridore, digitale Konnektivität und erneuerbare Energieerzeugung, wozu insbesondere die Wasserstoffproduktion gehört. Dazu werden mit «digitaler Transformation» und «grüner Transition» die einschlägigen Schlagworte platziert. Dass die erneuerbare Energie überwiegend nach Europa exportiert werden soll, also weniger zur klimaneutralen Stromversorgung in den Produktionsländern beiträgt, wird dabei unterschlagen. Außerdem bleiben die Risiken unerwähnt, die in den afrikanischen Ländern durch steigende Strompreise oder die Konkurrenz um Flächen entstehen können.
Angekündigte Investitionen in die pharmazeutische Branche sind zwar notwendig; deren Ziele wie eine breite Impfkampagne hätten durch einen TRIPS-Waiver, also eine Patentfreigabe, allerdings schneller erreicht werden können. Hier wird sichtbar, was für die vielen anderen genannten, aber wenig konkret unterlegten, Schwerpunkte von Global Gateway gilt: Die EU unterstützt vornehmlich die Schaffung investitionsfreundlicher makroökonomischer Rahmenbedingungen. Doch damit nicht genug: Da die Finanzmärkte in Ländern des Globalen Südens als zu risikobehaftet gelten, soll das «Sustainable Financing» gleich mit verstärkt werden. So ist es erklärtes Ziel der Initiative, die «green bond markets» – also die Märkte für grüne Anleihen – in den Partnerländern zu verbessern, um die Attraktivität für Investoren zu erhöhen.
Zwar soll Global Gateway – wie bereits der Name indiziert – weltweit wirken, aber der primäre geografische Zielraum wird Nordafrika sein. Als erstes Projekt wurde daher die Investitionszusage von 1,6 Milliarden Euro zur grünen Energieerzeugung in Marokko bekanntgegeben. Damit fokussiert die EU nicht nur auf ein Land, das in Bezug auf erneuerbare Energieerzeugung gut aufgestellt ist, sondern auf die für sie derzeit wichtigste geostrategische Region, insbesondere wenn es um die Abwehr von Migrationsbewegungen geht.
Baustein zur Finanzialisierung von Entwicklungspolitik
Neben den öffentlichen Geldern soll bei Global Gateway der Privatsektor «mobilisiert» werden. Damit wird ein weiterer Schritt zur Finanzialisierung der Entwicklungspolitik getan. Dieser aktuelle Trend umfasst die Rolle von privatem Kapital für die Erreichung entwicklungspolitischer bzw. nachhaltiger Ziele. Sowohl Entwicklungsministerien als auch multilaterale Institutionen wollen mit ihren öffentlichen Geldern auch Kapital privater Unternehmen anlocken. Aber um die Privatakteure zu gewinnen, benötigen sie mindestens drei Anreize: erstens eine Profitausschüttung, zweitens einen investitionsfreundlichen, möglichst deregulierten Markt, und drittens eine Risikominimierung. Rentabel erscheinen derzeit vor allem Investitionen in die Verkehrsinfrastruktur und in Projekte in den Bereichen erneuerbare Energie und Gesundheit. Zur Risikominimierung wird bereits über eine Europäische Exportkreditfazilität nachgedacht. Das klingt gut für die EU und für europäische Investitionen – aber für Afrika sind das keine guten Aussichten.