Dokumentation 5. Kommunalpolitischer Brückenschlag Hessen-Thüringen

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Wirtschafts- / Sozialpolitik

Mittendrin oder an den Rand gedrängt? Dies war die Fragestellung beim kommunalpolitischen Brückenschlag Hessen-Thüringen am 19. September 2015 im Frankfurter Römer, bei der Fraktion DIE LINKE. Dabei ging es in den Diskussionen darum, wie es Senior*innen in der Kommune geht, welche Möglichkeiten der gesellschaftlichen Partizipation sie haben und was sie daran gegebenenfalls hindert.
Der Geschäftsführer des Paritätischen Wohlfahrtverbandes Thüringen, Reinhard Müller, gab ein Impulsreferat über die Altersarmut in Deutschland und Thüringen und ihre Folgen.
Bedroht von der Altersarmut sind vor allem ehemals Langzeit- und Mehrfacharbeitslose, deren gebrochene Erwerbsbiografien sich dann in geringen Renten niederschlagen.
Fast 400 000 Thüringer sind von Armut betroffen. Nach einer neuen Berechnung des PARITÄTISCHEN beträgt die Armutsquote in Thüringen 18 Prozent.
Herr Müller sprach von einer vollständigen Entkopplung von wirtschaftlicher Entwicklung und Armutsentwicklung. Wirtschaftswachstum und die insgesamt positive Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt in Thüringen führten nicht zu einer Verringerung des Armutsrisikos.
Sorgen bereite die Entwicklung bei Rentnerinnen und Rentnern. Noch ist deren Armutsquote mit 15,2 Prozent bundesweit vergleichsweise moderat. Allerdings verbirgt sich dahinter ein extremer Anstieg der Armut seit 2006. Reinhard Müller sprach sich für entschlossene Reformen der Bundesregierung aus, um die auf uns zurollende Welle der Altersarmut aufzuhalten.
Dem folgte eine interessante Diskussion unter den Teilnehmer*innen.

Nach dem Mittagessen im Stadtzentrum ging die Veranstaltung mit dem Vortrag von Dr. Sven Stadtmüller, wissenschaftlicher Mitarbeiter des Forschungszentrums Demografischer Wandel (FZDW) der Frankfurt University of Applied Schiences weiter.
Herr Stadtmüller zeigte auf, dass der demografische Alterungsprozess, der in den nächsten Jahren durch den Übertritt der geburtenstarken Jahrgänge in die Lebensphase Alter an Fahrt aufnimmt, nicht in einer strukturellen Mehrheit für die Unionsparteien münden wird. Vielmehr kennzeichnet die Babyboomer-Generation der Alt-BRD (1955-1959) eine starke Distanz zu den beiden großen Volksparteien und eine relative Nähe zu den Grünen.
Allgemein lassen die geringe Bindungskraft der großen Volksparteien sowie der hohe Anteil
an parteilich Ungebundenen in den geburtenstarken Jahrgängen erwarten, dass sich Wahlergebnisse im Zuge des demografischen Wandels als (noch) beweglicher erweisen und kurzfristige Faktoren bei der Wahlentscheidung eine bedeutendere Rolle spielen.
Im Anschluss diskutierten wir, wie es gelingen könne, Menschen an Parteien zu interessieren.
Viele Anwesende widersprachen Herrn Stadtmüller in seiner These, wonach nicht zwangsläufig rechtspopulistische oder rechtsextreme Parteien Zuwächse verzeichnen könnten. Herr Stadtmüller aber meinte, dass die geburtenstarken Jahrgänge ein insgesamt hoher Bildungsgrad kennzeichnet, der die Anfälligkeit gegenüber rechtsextremem Gedankengut reduziert.

Im letzten Vortrag des Tages informierte Frau Franca Schirrmacher, Mitarbeiterin des Mehrgenerationenhauses Frankfurt-Gallus, über das Aktionsprogramm Mehrgenerationenhäuser II des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend. Die derzeit rund 450 Häuser bundesweit erhielten über einen Zeitraum von drei Jahren (2012-2014) einen jährlichen Zuschuss in Höhe von 40.000 Euro. Davon wurden 30.000 Euro aus Mitteln des Bundes und des Europäischen Sozialfonds (ESF) finanziert. Bei unveränderter Gesamtfördersumme übernimmt der Bund im Jahr 2015 30.000 Euro pro Mehrgenerationenhaus. 10.000 Euro müssen in 2015 von der jeweiligen Standortkommune bzw. vom Land oder Landkreis übernommen werden.
Mehrgenerationenhäuser sind zentrale Begegnungsorte, an denen das Miteinander der Generationen aktiv gelebt wird. Sie bieten Raum für gemeinsame Aktivitäten und schaffen ein neues nachbarschaftliches Miteinander in der Kommune. Der generationenübergreifende Ansatz gibt den Mehrgenerationenhäusern ihren Namen und ist Alleinstellungsmerkmal jedes einzelnen Hauses: Jüngere helfen Älteren und umgekehrt. Das Zusammenspiel der Generationen bewahrt Alltagskompetenzen sowie Erfahrungswissen, fördert die Integration und stärkt den Zusammenhalt zwischen den Menschen.
Mehrgenerationenhäuser stehen allen Menschen vor Ort – unabhängig von Alter oder Herkunft – offen; egal, wie alt oder jung sie sind Jede und Jeder ist willkommen. Der „Offene Treff", z.B. als Bistro oder Café, ist Mittelpunkt jedes Hauses. Hier begegnen sich Menschen, kommen miteinander ins Gespräch und knüpfen erste Kontakte. Für viele Besucherinnen und Besucher der Mehrgenerationenhäuser ist der Offene Treff die erste Anlaufstelle und Ausgangspunkt für weitere Aktivitäten.
In das Mehrgenerationenhaus bringen sich Menschen jeden Alters mit unterschiedlicher Herkunft oder kulturellem Hintergrund aktiv ein. Interessierte können aber auch konkrete Angebote und Dienstleistungen der Häuser in Anspruch nehmen. Dazu gehören Lern- und Kreativangebote für Kinder und Jugendliche, Weiterbildungskurse für den (Wieder-) Einstieg in den Beruf, Betreuungs- und Unterstützungsangebote für pflegebedürftige oder demenziell erkrankte Menschen
Frau Schirrmacher berichtet dann von den verschiedensten Angeboten des Mehrgenerationenhauses Frankfurt-Gallus und von den Veränderungen im Stadtteil. Schwerpunkt ihres Vortrages waren die Angebote und Aktivitäten rund um alltägliche und bildungsrelevante Themen an die ältere Generation, einschließlich der ausländischen Mitbürger*innen.  

Die Kurzfassungen der drei Impulsreferate:

Altersarmut, Demografischer Wandel, Mehrgenerationenhäuser